Wenn ein geliebter Mensch stirbt, sind wir tief berührt. Dabei spielt es gar nicht so eine große Rolle, ob sich der Tod durch Krankheit bereits angekündigt hat oder ob er jäh eintritt. Wir stehen der Tatsache, dass die geliebte Person plötzlich nicht mehr da ist, einfach völlig hilflos gegenüber. Die meisten Menschen durchlaufen dann typische Phasen der Trauerbewältigung, wie viele Autoren und Therapeuten sie bezeichnet haben. Sie beginnt mit dem Schock, der Verzweiflung, der Hilflosigkeit, geht über in heftige Emotionen wie Wut, Scham, Schuld oder Angst, verändert sich dann in eine Art Suche mit Erinnerungen an gemeinsame Rituale, an Erlebnisse, an besondere Eigenarten oder Gegenstände und mündet früher oder später in eine Phase des Trennens, der Akzeptanz und der Schaffung einer bleibenden Verbundenheit in einer neuen Form.
In unserer aktuellen Gesellschaft erleben wir den Tod nicht in der Gemeinsamkeit. Er wird ins Krankenhaus oder ins Altersheim abgeschoben, und dadurch werden oft auch die Angehörigen allein gelassen. Wir stehen ja auch als Nicht-Betroffene hilflos davor, wie wir vielleicht einem Angehörigen helfen könnten. Und um nichts Falsches zu sagen, sagen wir lieber nichts und ziehen uns zurück.
Und doch stellt sich eben irgendwann die Phase ein, in der man die Endgültigkeit akzeptiert, dass die geliebte Person nicht mehr lebt.
So schmerzlich der Tod ist, ist er doch gewiss und endgültig. Die Todesursache steht meist fest und der Todeszeitpunkt auch.
Deutlich schwieriger ist es, wenn eine Person vermisst wird. Dann beginnt alles zunächst mit der Sorge und der Suche um die Person. Alle zur Verfügung stehenden Hebel werden in Bewegung gesetzt, die Person zu finden. Die betroffenen Angehörigen gehen die zuletzt bekannten Wege nach, kontaktieren alle möglichen Personen, schalten Suchanzeigen, durchforsten die persönlichen Sachen des Vermissten nach möglichen Anhaltspunkten und letztendlich auch nach einem möglichen Abschiedsbrief. Es werden alle möglichen Szenarien von Verlaufen, Unfall, Mord, Entführung bis zum Freitod durchgespielt. Und dann kommt eines Tages der Punkt, an dem alle Möglichkeiten des Suchens und Erklärens ausgeschöpft sind und es trotzdem keine Erklärung gibt. Die Person ist und bleibt vermisst. Je nach dem, wie die persönlichen Umstände wie vielleicht Krieg, unheilbare Krankheit oder Streit und das Alter der Person sind, bleibt die Hoffnung auf ein Wiederfinden länger oder kürzer oder geht dann in die Gewissheit über, dass die Person eigentlich nicht mehr leben könnte. Aber genau der Gedanke, die geliebte Person tot zu glauben, wird meist als herzlos angesehen. Die Hoffnung bleibt immer noch. Man traut sich gar nicht, den wahrscheinlichen Tod zu akzeptieren, da es einem Aufgeben der vermissten Person gleichkommt, das Ende jeder Hoffnung bedeutet. Man möchte sich diese Schuld nicht aufbürden, man habe die vermisste Person im Stich gelassen. Und man möchte die Hoffnung nicht aufgeben. Und damit ist die Trauerarbeit für diese Angehörigen unglaublich schwer. Die „normale“ Bewältigung der Trauerphasen wird durch diese Schuld verhindert oder zumindest behindert.
Um auch durch so eine tiefgreifende Erfahrung gehen zu können, ist eine erfahrene Trauerbegleitung hilfreich. Sie kann in den verschiedenen Phasen unterstützen, damit die Emotionen nicht überborden, aber ausgelebt werden können. Das Unterdrücken der Emotionen verhindert die sowieso schon verlängerte Trauerbewältigung unnötig. Denn auch wenn die Hoffnung nie ganz stirbt, haben alle Angehörigen ein Recht darauf, irgendwann wieder ein ausgeglichenes und Zukunft weisendes Leben zu führen.